Das Thema Künstliche Intelligenz ziert derzeit jede Diskussion über Digitalisierung. Als ehemalige Forscherin für offene Systeme und Vertrauens- und Sicherheitsmechanismen, hat diese Entwicklung unseren Head of Productmanagement Dr. Yvonne Bernard dazu veranlasst einmal genauer hinzusehen. In ihrem kürzlich veröffentlichten Beitrag: „AI – the same procedures as last century?“ blickt sie hinter den aktuellen Hype. Im folgenden Interview mit Yvonne erfassen wir die Hintergründe der innovativen Technologie, werfen einen Blick auf die Anwendung von künstlicher Intelligenz im unternehmerischen Kontext und diskutieren abschließend den Einsatz in der IT-Sicherheit.

Was hat dich dazu veranlasst, dem Thema KI nochmal näher nachzugehen? Vor allem in den letzten Jahren habe ich eine enorme Zunahme von KI-Technologien festgestellt, die von Technologieunternehmen und Anbietern auf der ganzen Welt eingesetzt und – vielleicht noch wichtiger – beworben werden. Da ich mich in Forschung und Lehre bereits einige Jahre mit dem Thema auseinandergesetzt habe, war ich wirklich neugierig: Haben sich die Mechanismen, die ich an der Leibniz Universität Hannover genutzt und gelehrt habe, weiterentwickelt? Zwar dauert die Grundlagenforschung wie man sagt bis zu 20 Jahre, um (wenn überhaupt) aus der Grundlagenforschung in der wirtschaftsrelevanten Technologie herausgenommen zu werden, aber um ehrlich zu sein, ein Teil der Dinge, die wir damals genutzt haben wie z.B. Künstliche Neuronale Netze, waren bereits damals schon älter als ich.
Wenn du sagst, diese Technologie existiert bereits seit Jahrzehnten, warum wird sie erst jetzt angewandt? Was den Einsatz von KI-Technologien mittlerweile wirklich lohnenswert macht, ist die Möglichkeit große Datenmengen zu speichern und zu verarbeiten und auch die Verarbeitungsschemata bei Bedarf anzupassen. Big Data bedeutet nicht, alles zu speichern und dann zu gucken was man damit macht: Man muss sich durchaus Gedanken um Datentypen machen, um auf Grundlage dieser Datenmengen effizient und effektiv rechnen zu können. Auch die Vermarktung dieser Technologien, die bereits seit Jahren angewendet werden, hat natürlich ihren Beitrag zum Hype geleistet. Ein weiterer Aspekt, ist die wachsende Anzahl und Qualität von frei verfügbaren und nicht mehr nur von Forschen nutzbaren Bibliotheken. Man muss nicht mehr lange nach geeigneter Software oder Frameworks suchen, um seine KI-Ideen in funktionierenden Code umzusetzen. Zu nennen wären hier Frameworks wie TensorFlow, Caffe und CNTK. Somit wird KI zunehmend zur schnellen und (nahezu) optimalen Lösung von realen Problemen eingesetzt.
Was hat den Einsatz von KI in Unternehmen überhaupt möglich gemacht und worin besteht die Notwendigkeit? Wie bereits erwähnt, sind vor allem die steigende Anzahl und Qualität an Bibliotheken sowie die Möglichkeit mit großen Datenmengen zu arbeiten, Wachstumstreiber der Anwendung von KI im unternehmerischen Umfeld. Darüber hinaus können mittlerweile ganz neue und zusätzliche Techniken wie das Supervised Machine Learning, zu Deutsch: überwachtes Lernen, eingesetzt werden. Hier wird eine bestimmte Teilmenge der verfügbaren Gesamtdaten verwendet, bei der man davon ausgeht, dass sie den Daten, für die die Algorithmen angelernt werden, sehr ähnlich sind. Ein „verlernen“ gewünschter Eigenschaften soll somit ausgeschlossen werden. Zum Vergleich: In Forschungslaboren muss immer darauf geachtet werden, dass die anzuwendenden Algorithmen gut parametrisiert und für den anvisierten Datensatz geeignet sind. Im Geschäftsleben möchte und kann man diese Zeit oft nicht aufwenden, um jeden möglichen Parametersatz zu bewerten. Zudem ist ein Lernalgorithmus, der etwas Unerwartetes lernt, für einen Forscher großartig, kann im Geschäftsleben jedoch nicht toleriert werden.

In welchen Branchen und Abläufen siehst du die größten Chancen für die Anwendung von Künstlicher Intelligenz? Es ist sicher zu sagen, dass die KI nicht die einzige Lösung für jedes der heutigen Probleme sein wird. Aber es gibt Bereiche, in denen KI-Techniken einfacher und zugänglicher denn je sind und nichts sollte Entwickler und Systementwickler davon abhalten, die ehemalige reine Forschungstechnologie in irgendeiner Weise zu nutzen, die ihnen hilft, eine gute (oder wenn möglich die beste) Lösung für ihre realen Probleme zu finden. Ich möchte betonen, dass – auch bei Hornetsecurity – bereits viele Verfahren aus der Menge der KI-Methoden schon seit Jahren erfolgreich im Einsatz sind. Früher wurden derartige Verfahren jedoch nicht bewusst beworben, wohingegen KI heute als Qualitätskriterium oder zumindest als innovativ wahrgenommen wird. Allgemein ist die Anwendung grundsätzlich im Bereich der Optimierungsverfahren verbreitet und auch zu empfehlen, da reine Heuristiken oftmals qualitativ nicht ausreichen, die Ermittlung der eindeutig optimalen Lösung jedoch aufgrund der Laufzeitkomplexität nicht in der erwünschten Zeit möglich wäre. Geeignete Lernverfahren können hier in kurzer Zeit hervorragende Ergebnisse erzielen – wenn man sie sinnvoll zu verwenden weiß. Optimierungsverfahren lassen sich in nahezu allen Branchen finden.

Und abschließend: Bist du der Meinung das Künstliche Intelligenz die IT-Sicherheit beeinflussen und verändern wird?

Ja, absolut, und zwar in beide Richtungen: Nicht nur die Security-Forschung, sondern auch die Angreifer werden die Zugänglichkeit dieser Technologien verstärkt nutzen. Mit dem umfassenden Verständnis und der bereits seit vielen Jahren angewandten Erfahrung für diese Algorithmenklasse, sind wir bei Hornetsecurity bereits bestens auf dieses „Arms Race“ vorbereitet.